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Benjamin Britten
Benjamin Britten

Karriere in B-Moll

03.01.2002

Erst als unmoralisch gescholten, dann hochverehrt: Das kriegen nicht nur die Engländer zustande. “Das ist gut so”, hätte Benjamin Britten wohl auch gern gesagt.

Seine Mutter träumte davon, dass er als “viertes B” Eingang in die Musikgeschichte finden würde: Bach, Beethoven, Brahms – Britten? Ob die Musikgeschichte ihn eines Tages tatsächlich ins Pantheon der ganz Großen heben wird, ist noch abzuwarten. Seinem eigenen, dem 20. Jahrhundert, hat Benjamin Britten indes genug zu sagen gehabt. Und er hat gelitten an dieser Welt, die ihm einen offenen Umgang mit der eigenen Homosexualität verwehrte: Nicht umsonst waren es in seinen Opern häufig die Außenseiter im Kampf gegen eine übermächtige Gesellschaft, denen seine Sympathien galten.

 

Geboren wird er am Meer, in Lowestoft, Suffolk, am 22.12.1913 als das jüngste von vier Kindern, eben ein rechter Benjamin. Der Vater ist Zahnarzt, Mutter Edith singt und spielt das Klavier. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1937 wird sie versuchen, das Leben des Sohns im Griff zu behalten. In der Schule ist Britten kein Muttersöhnchen, sein älterer Bruder Robert erinnert sich später daran, mit dem Kleinsten um das Spiel auf dem Familienklavier gerungen zu haben. Britten beginnt schon mit fünf Jahren zu komponieren, noch während der Schulzeit verfasst er eine sinfonische Dichtung: “Chaos und Kosmos” – ein Griff nach den Sternen. Zehnjährig begegnet er der anspruchsvollen, eigenständigen Musik des Komponisten Frank Bridge, der vier Jahre später sein Lehrer wird.

 

Mit 16 die Befreiung: Britten geht nach London, ans Royal College of Music. Der Unterricht bei seinem Lehrer John Ireland bringt zwar nicht viel. Aber Britten nimmt Teil am Leben der großen Stadt – nicht als Provinztrottel, sondern schon mit wachem Urteil. Er hört Musik von Schönberg, Strawinsky, die großen Interpreten der Vorkriegszeit. So liest man in Brittens Tagebuch über Wilhelm Furtwängler und die Berliner Philharmoniker (mit Tschaikowskys 6. Sinfonie): “Übertrieben und viel zu sentimental. Kein Wunder, dass einem als Zuhörer schlecht wurde.” Sentimentalitäten hat sich Britten, trotz manch düsterer Sujets, in seiner eigenen Musik wie auch in seinen Interpretationen großer Vorbilder immer verbeten. Nach dem Abschluss des Colleges im Jahr 1933 erhält Britten ein Reisestipendium. Eigentlich möchte er in Wien bei Alban Berg studieren. Doch das Royal College of Music hält den Neutöner für “unmoralisch” und legt seinen Eltern nahe, dem Sohn die Reise zu verbieten. Dennoch geht Britten seinen Weg. 1932 entsteht die “Sinfonietta”, 1934 die auch heute noch bekannte “Simple Symphony” für Streichorchester. Er schafft Filmmusik für das “General Post Office”.

 

Mit 24 hat er es geschafft: Der Musikverlag Boosey and Hawkes schließt einen Vertrag mit ihm ab, Britten ist freischaffender Komponist. Im gleichen Jahr, 1937, begegnet er dem Tenor Peter Pears (1910–1986), damals Mitglied im BBC-Chor: Es ist der Beginn einer lebenslangen Liebes- und Arbeitsbeziehung. Mangel an Ideen kennt Britten in seinem Leben selten. Er erobert sich die große Form, es entstehen ein Klavier- und ein Violinkonzert. Britten arbei-tet organisiert und regelmäßig, komponiert auch Auftragswer-ke immer entsprechend der Absprachen. Doch ist Britten auch ein Mensch mit Überzeugungen. Das zeigt sich im Jahr 1939, als Britten und Pears den Krieg kommen sehen und ihrer Heimat den Rücken kehren und ein halbes Jahr vor Kriegsausbruch in die Vereinigten Staaten übersiedeln. Daheim werden sie dafür als Feiglinge und Deserteure beschimpft.

 

1942 kehrt er in die Heimat zurück, wird vom Kriegsdienst befreit. In dieser Zeit fragt der Bostoner Mäzen und Dirigent Sergej Koussevitzky den Komponisten, was er eigentlich gerne einmal komponieren würde, wenn er die nötige Zeit hätte. Brittens Antwort: “Eine Oper”. Darauf Koussevitzky: “Ich gebe Ihnen den Auftrag.” Jetzt entsteht “Peter Grimes”, jene grimmige Geschichte um einen Fischer, der am Hass und der Verachtung seiner Umwelt zerbricht, in den Selbstmord getrieben wird. Britten hat nicht mehr bloß Talent, in dieser Oper zeigt er seinen Genius. Aber er war ein Genie, das verstanden werden wollte, komponierte Musik für Kinder wie den “Young Person’s Guide to the Orchestra”, in seiner Oper “Noye’s Fludde” darf das Publikum sogar mitsingen. Und er war ein Genie mit Gewissen: Sein 1961 uraufgeführtes “War Requiem” ist eine der bewegendsten Anti-Kriegs-Musiken des Abendlandes. 1976 wird Britten als erster Komponist in den Adelsstand erhoben, zum Baron Britten of Aldeburgh – Aldeburgh, sein Wohnsitz und jener Ort, an dem er ein hochkarätiges Musikfestival ins Leben rief.

 

Am 22. November feiert er seinen 63. Geburtstag, wenig später, am 4. Dezember 1976 stirbt er – in den Armen seines Gefährten Peter Pears.

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