Otto Wesendonk war ein Kaufmann. Richard Wagner begegnete ihm 1852 in Zürich und daraus entspannte sich eine durch Mäzenatentum geprägte Freundschaft, die den mittellosen Komponisten über finanziell schwere Jahre hinwegrettete. Und die ihm außerdem mit Mathilde Wesendonk eine Muse bescherte, ohne die nicht nur der “Tristan” anders geklungen hätte.
Otto duldete die Liaison, Minna nicht. Im April 1858 bekam Wagners Frau einen Brief des Treulosen an Mathilde in die Finger. Schluss war es mit der Tändelei, denn die Gattin des Komponisten sah nicht ein, von ihrem Mann zugunsten zweifelhaften Erfolges seiner Kunst hintergangen zu werden. Die Wagners zogen aus dem sogenannten “Asyl”, einem ihnen billig von den Wesendonks überlassenen Mietshaus aus, und der Genius musste seine Inspiration fortan wieder in heimischen Gefilden finden. Immerhin blieben von dem – natürlich streng platonischen – Techtelmechtel der Nachwelt ein Zyklus von “Fünf Gedichten für Frauenstimme” erhalten, die später als “Wesendonk-Lieder” (1857/8) bekannt und gemeinhin als Vorstudien zum “Tristan” angesehen wurden. Die Texte stammten noch von Mathilde, die sich mehr schlecht als recht als Gelegenheitsdichterin versuchte, aber durch den berühmten Richard doch im Kanon der Vokalliteratur verankert wurden.
Mehr lyrischen Stil hatten da schon die “Vier letzten Lieder” von Richard Strauss, die er als vorletzte Komposition seines Lebens anno 1948 vollendete. Sie hatten immerhin Joseph von Eichendorff und Hermann Hesse als Autoren und konnten daher auf einem poetischen Grundgehalt aufbauen, der ernste Themen Tod und Ende in passende Bilder verpackte. Uraufgeführt wurden sie neun Monate nach dem Tod von Strauss in der Royal Albert Hall durch die norwegische Wagnersängerin Kirsten Flagstad, begleitet durch das Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler. Für die amerikanische Sopranistin Jessye Norman gehören sowohl die letzten, als auch die Wesendonk-Lieder zu den Schwerpunkten des Repertoires. Schon als Jugendliche entdeckte die Künstlerin aus Augusta, Georgia, über Aufnahmen Erna Bergers den Charme deutscher Kunstlieder für sich, und schaffte es bald nach ihren Bühnendebüt Ende der sechziger Jahre (etwa als Elisabeth im “Tannhäuser” oder Gräfin Almaviza in “Le nozze di Figaro”), sich als eine der bedeutendsten Liedinterpretinnen ihrer Generation zu etablieren.
Die bereits 1975 für den VEB Deutsche Schallplatten entstandenen “Wesendonk-Lieder” mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Kurt Masur gelten heute in ihrer Eleganz und kraftvollen Brillanz als zeitlose Referenz für die Interpretation der Wagner-Werke. Und ihre sieben Jahre später mit dem London Symphony Orchestra und Sir Colin Davis festgehaltenen “Vier letzten Lieder” veränderten gar die Hörgewohnheiten vom silbrig klaren Sopran früherer Strauss-Deutungen hin zu Normans präsenter und opulenter Stimmgestaltung. Beide Aufnahmen sind inzwischen Klassiker der Schallplattengeschichte und dokumentieren auf einer CD Eckpfeiler der Künstlerbiographie einer ungewöhnlichen, ergreifenden Sängerin.
Die Referenz:
“46 Minuten überragende Orchesterliedinterpretation.” (FonoForum 4/1984, zu Strauss) “Klangschöne, intensive, ausdrucksstarke Interpretation.” (Stereoplay 10/1985, zu Wagner)