Claudio Monteverdi brauchte mit seiner berühmten “Marienvesper” rund eineinhalb Stunden, um die Liturgie zu erfüllen. Mozart schaffte es in rund einem Drittel der Zeit. Das lag nicht etwa daran, dass dem nachgeborenen Komponisten die Motive und Ausdrucksformen fehlten, sondern an den Wünschen seines Salzburger Dienstherrn. Dieser wollte die Musik kurz und prägnant haben, vor allem sollte der Text möglichst klar verständlich sein. Mozart folgte den Vorgaben und schuf 1780 mit der “Vesperae solennes de confessore K 339” eine Art Konzentrat kirchenmusikalischen Gestaltens, das nur noch durch “Ave verum corpus K 618” von 1791 an Kompaktheit übertroffen wurde.
Im Jahr 1779 kehrte Mozart resigniert, aber innerlich gereift nach Salzburg zurück. Der geplante Durchbruch durch die Reise nach Paris hatte sich in mancher Hinsicht zum Fiasko entwickelt, vor allem der Tod seiner Mutter im Juli des Vorjahres überschattete die ganze Unternehmung. Jedenfalls war der Komponist soweit demotiviert, alleine weiter zu machen, dass er sich gezwungen sah, sein altes Dienstverhältnis in Salzburg wieder aufzunehmen. Zumindest als Notanker hielt er es aufrecht, bis sich eine bessere Gelegenheit bot. Als es während der folgenden zwei Jahre zum endgültigen Bruch mit seinem Dienstherren und Auftraggeber, dem Fürsterzbischof Colloredo kam, und sich außerdem so etwas wie eine neue Chance in der Ferne abzuzeichnen begann, machte sich Mozart auf den Weg und zog im Herbst 1781 nach Wien. Dort reüssierte er bereits im folgenden Jahre mit seiner Oper “Die Entführung aus dem Serail” und heiratete außerdem Constanze Weber, die ältere Schwester seiner Jugendliebe Aloysia Weber, mit der sich eine glückliche Zukunft abzeichnete, auch wenn die finanzielle Situation der Familie zu wünschen übrig ließ. Von dem Salzburger Brotjob-Intermezzo blieb aber unter anderem eine faszinierende Vesper übrig, die er noch nach Vorgaben Colloredos gestaltet hatte. Konzentriert, pathetisch mit reichlich Paukenschlägen, aber auch hinreißenden Sopranarien wie dem “Laudate Dominum” schuf er ein ergreifendes Stück Kirchenmusik, das Intensität vermittelte, ohne auf bombastischen Pomp zurückgreifen zu müssen.
Nach den Salzburger Jahren vollendete Mozart nur noch ein sakrales Werk. Das “Ave verum corpus” entstand 1791 und wurde für einen Freund des Komponisten geschrieben, als er sich gerade mit seiner Frau Constanze in Baden bei Wien aufhielt, die dort ein Fußleiden zu kurieren beabsichtigte. Es ist eine gerade mal 46 Takte umfassende Motette für vierstimmigen Chor, Streicher und Orgel und gilt als eine Quintessenz von Mozarts erhabenem Spätstil. Es gehört ebenso wie das “Kyrie K 341” und das “Exsultate, jubilate K 165” zu einer bereits 1971 entstandenen Zusammenstellung, die unter der Leitung von Sir Colin Davis mit dem London Symphony Orchestra and Chorus und Solisten wie der neuseeländischen Sopranistin Kiri Te Kanawa aufgenommen worden war. Diese Version entwickelte sich über die Jahre zu einem der Standard-Klassiker der Mozart-Einspielungen, der von den einschlägigen Fachorganen in den höchsten Tönen gelobt wurde. So konnte man beispielsweise im Penguin Guide folgende Eloge lesen: " Diese CD bietet eine an Reiz kaum zu übertreffende Sammlung Mozart’scher Chormusik. Sie reicht von der frühen Sopran-Kantate Exsultate, jubilate mit ihrer berühmten Vertonung des “Alleluia” bis zum ebenso beliebten Ave verum. Kiri Te Kanawa ist die brillante Solistin der Kantate, ihre strahlenden Interpretation des herrlichen “Laudate Dominum” gehört zu den Höhepunkten der überzeugenden, einfühlsamen Aufführung der Vesperae solennes".