Er ist eine geheimnisvolle Künstlergestalt. Obgleich wohlwollend und freundlich, bleibt er doch ein Rätsel, das niemand durchschaut. Eine ungewöhnliche Aura umgibt Radu Lupu, der nie ins Rampenlicht drängte.
Er vermied großes Aufhebens um seine Person. Es ging ihm einzig und allein um die Kunst, und der gab er sich mit ganzer Kraft hin. Eine solche Kompromisslosigkeit imponiert, und es ist daher kein Zufall, dass der 1945 in Galați im Westen Rumäniens geborene Meisterpianist ein treues Publikum hinter sich weiß. Wer einmal das unfassbar ausgewogene, mit perfekt koordiniertem Anschlag kultivierte Klavierspiel von Radu Lupu gehört hat, der kann von dieser Kunst nicht mehr lassen.
Dieser Stil ist von einer solchen Schönheit, einer solch atemberaubenden Tiefe, dass man nurmehr staunen kann. Dabei erzielt Radu Lupu seine Wirkung keineswegs mit großen Gesten. Obgleich ein technischer Meister ohnegleichen, dem es in Sachen Fingerfertigkeit oder rhythmischer Sicherheit an nichts mangelt, bleibt seine soghafte Wirkung doch im Grunde unerklärlich. Wie seine geheimnisvolle Person, so ist auch sein Klavierspiel von einem magischen Schleier umhüllt.
Vielleicht ist es der unbedingte Ernst, diese Detailversessenheit, mit der er sich jeder harmonischen Schönheit widmet, die ins Zentrum seiner Kunst führen. Jedenfalls deutet sein Repertoire darauf hin, dass er sich in raffinierten Harmonien, wie sie im klassischen und romantischen Repertoire vorkommen, besonders wohl fühlt. Er liebt den starken Gefühlsausdruck, der sich mit strengen Formen verbindet. Beethovens “Mondscheinsonate” zum Beispiel ist ihm wie auf den Leib geschneidert.
Hier treibt er seine Zauberkunst, die heftigste Gefühle in klar umrissene Formen gießt, zur Vollendung. Radu Lupu ist ein Überlebender des klassischen und romantischen Zeitalters, und wer diese Musik liebt, wer sich gern mit Beethoven und Brahms, mit Schubert und Schumann in Gefilde endloser Sehnsucht und leidenschaftlichen Gefühlsausdrucks begibt, der sollte jetzt unbedingt auf die Gesamtedition der großartigen Aufnahmen Radu Lupus zugreifen.
“Radu Lupu – Complete Recordings” umfasst 28 Tonträger und enthält sämtliche Aufnahmen Radu Lupus. Darunter der komplette Zyklus von Beethovens Klavierkonzerten, Klavierkonzerte von Mozart, Schumann, Brahms und Grieg, Violinsonaten von Mozart (mit Szymon Goldberg), Debussy und Franck (mit Kyung Wha Chung) und Werke für Klavier solo von Beethoven, Brahms, Schumann und Schubert. Eine besondere Perle der Ausgabe sind die Schubert-Lieder, die Radu Lupu mit der famosen Sopranistin Barbara Hendricks aufgenommen hat. Hier zeigt er sich als empfindsamer Liedbegleiter. Nicht minder ergreifend sind die Schubert-Werke für vier Hände, die Lupu mit Daniel Barenboim und Murray Perahia aufgenommen hat.
Hier imponiert sein aufmerksames Hören auf den Spielpartner, das ihn als sozialen Menschen erkennbar werden lässt, der bar jeder Eitelkeit größten Wert auf den Gesamtklang legt. Bestechend an der Gesamtedition ist der kontinuierlich beibehaltene Stil seines Klavierspiels. Die einmalige Verbindung von klanglicher Balance und poetischer Eindringlichkeit ist hinreißend. Wenn Lupu die “Mondscheinsonate”, Schumanns “Kinderszenen” oder Schuberts Moments musicaux spielt, dann hat man das Gefühl: So muss es klingen, so und nicht anders, und dieser Eindruck zieht sich durch die gesamte Edition.