Ihre außerordentliche Begabung wurde schon früh entdeckt. Im Alter von fünf Jahren gab sie bereits ihr erstes Konzert, und als sie neun Jahre alt war, machte sie bereits ihre ersten Aufnahmen.
Alicia de Larrocha wurde in eine hochmusikalische Familie hineingeboren. Ihre Mutter und ihre Tante waren Schülerinnen des großen spanischen Komponisten Enrique Granados. Alicia wird das Klavierspiel bei Frank Marshall, einem wichtigen Schüler von Granados, erlernen. Marshall zeigt sich allerdings zunächst wenig begeistert, als Alicias Tante mit dem dreijährigen Mädchen bei ihm auftaucht. Ein Kleinkind, erst drei Jahre alt, das scheint ihm definitiv zu jung, um mit dem Klavierspiel zu beginnen.
Wahrscheinlich fürchtet er, die Tante wolle zwanghaft ein Wunderkind heranzüchten. Jedenfalls rät er davon ab, das Kind schon ans Klavier zu lassen. Doch dafür ist es bereits zu spät. Alicia saß schon am Klavier und sie will unbedingt dorthin zurück. Seit sie ihrer Tante beim Unterrichten zuschauen durfte, experimentiert sie wie verrückt am Flügel. Nach Marshalls Ratschlag unternimmt die Tante einen letzten Versuch, Alicia vom Klavier fernzuhalten. Aber es ist zwecklos.
Die Kleine gerät außer sich. Sie schlägt, wie sich Alicia de Larrocha später erinnern wird, mit dem Kopf auf den Boden, als die Tante das Klavier schließen will. Alicia muss ans Klavier, und sie besteht auf Unterricht. Frank Marshall hat ein Einsehen. Er nimmt das Kind, das rasante Fortschritte machen wird, in seine Klasse auf. Der Klavierpädagoge ist streng. Er wacht akribisch darüber, dass seine hochbegabten Schüler eine solide Grundausbildung erhalten.
Obwohl sein Herz an der spanischen Musiktradition hängt, legt er Wert darauf, dass sich seine Schüler mit den mitteleuropäischen Klassikern vertraut machen. Alicia de Larrocha wird ein Leben lang dankbar sein für diese Weichenstellung. “Wenn man Bach nicht korrekt spielen kann, dann kann man auch spanische Musik nicht spielen”, so de Larrocha in einem Interview mit der Zeitschrift Gramophone. “Der spanische Stil ist wie Chopins Mazurken – frei in der Melodie und solide grundiert.”
Alicia de Larrocha wird eine ureigene Spielkultur ausprägen, die elegant zwischen temperamentvollen Ekstasen und bändigender Zurücknahme changiert. Ihr persönlicher Stil wird ihr weltweit Bewunderung eintragen und Größen wie Arthur Rubinstein und Vladimir Horowitz in ihre Konzerte treiben. Kultstatus erlangen schließlich ihre Aufnahmen bei Decca, die jetzt in einer glänzend aufbereiteten, 41 Tonträger umfassenden Edition auf den Markt kommen.
Die attraktive Ausgabe, die mit Welterstveröffentlichungen einer Grieg- und Albéniz-Interpretation von Alicia de Larrocha aufwarten kann, besticht durch das ungeheuer modern anmutende Klavierspiel der spanischen Pianistin und ihr ungewöhnlich breitgefächertes Repertoire. Herz der limitierten Edition ist die mit leidenschaftlicher Inbrunst dargebotene spanische Literatur von Größen wie Falla, Granados, Rodrigo oder Mompou.
Daneben: hocheleganter Mozart, hell leuchtender Schumann, lyrisch feinziselierter Chopin und vieles mehr. Das i-Tüpfelchen der noblen Ausgabe: ein 120-seitiges Begleitbuch mit einer spannenden Einführung von André Previn und Alicia Torra, der Tochter der Pianistin, einem glänzenden Essay des Musikschriftstellers Jed Distler, Ausschnitten aus einer de Larrocha-Biographie von Mònica Pagès sowie vielen bislang unveröffentlichten Photographien und Faksimiles aus de Larrochas Privatsammlung und aus dem Decca-Archiv. Mehr geht nicht.