Voller Neugierde und Leidenschaft erforscht die italienische Sängerin Cecilia Bartoli seit mehreren Jahren mit wissenschaftlicher Akribie die Werke Agostino Steffanis (1654–1728). Der Barock-Komponist zog im Dienste deutscher Fürsten und als Abgesandter des Vatikans durch Europa und absorbierte dabei die italienische, deutsche und französische Musiktraditionen seiner Zeit, die er in eigenen Werken kongenial verband. Diese außergewöhnlich schöne und ungewöhnliche Musik prägte die nachfolgenden Generationen tief, geriet aber nach und nach in Vergessenheit. Cecilia Bartoli hat sich seit 2012 der “Mission” verschrieben, den genialen Musiker Steffani wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückzuholen – mit Erfolg. Dem preisgekrönten “Missions”-Album folgt nun die Einspielung Agostino Steffanis: “Stabat Mater” – dem Meisterwerk des Komponisten.
Das mittelalterliche Mariengedicht, das Steffani kurz vor seinem Tod 1728 für sechs Sänger und sieben Instrumentalisten vertont hatte, nahm Cecilia Bartoli gemeinsam mit einigen hervorragenden Vertretern der historisierenden Aufführungspraxis auf: dem Countertenor Franco Fagioli, dem Bassisten Salvo Vitale sowie den beiden deutschen Tenören Daniel Behle und Julian Prégardien. Sie alle werden dabei vom Coro della Radiotelevisione Svizzera und dem Ensemble I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis begleitet, welche bereits für Bartolis Album “Mission” verantwortlich zeichneten.
Das “Stabat Mater” ging als Agostino Steffanis intensivste Auseinandersetzung mit seiner tiefen Religiosität in die Geschichte ein. Es ist mit einer Länge von circa 30 Minuten nicht nur sein umfangreichstes, sondern auch sein komplexestes Werk außerhalb des Opernschaffens und hat als eines der wenigen Werke Steffanis in der aktuellen Musiktradition überlebt. Das zwölfteilige “Stabat Mater” ergänzen Cecilia Bartoli und Diego Fasolis auf ihrem neuen Album mit weiteren sakralen Kompositionen Steffanis für Chor, Orchester und Solisten, allesamt Weltersteinspielungen!, darunter “Sperate in Deo” und “Laudate Pueri”.
Den Kirchenkompositionen zur Seite gestellt wurde das zweite neue Steffani-Album mit Höhepunkten seiner Orchesterwerke aus Opern: “Danze e Ouvertures”. Diego Fasolis leitet dabei auch hier das Ensemble I Barocchisti auf historischem Instrumentarium. Auch auf “Danze e Ouvertures” überraschen die farben- und variantenreichen Kompositionen Steffanis. Bewerkenswert an dieser Zusammenstellung ist vor allem die Tatsache, dass man dem Opern- und Kirchenmusikkomponisten hier ein Denkmal als reinem Orchesterkompositeur setzt. Denn geschrieben hatte Steffani zeitlebens ausschließlich Kirchenmusik, Kammerkantaten, Duette und Opern. “Mission”, “Stabat mater” und “Danze e Ouvertures” aber beweisen einmal mehr, dass Cecilia Bartoli und Diego Fasolis mit Agostino Steffani eine meisterhafte Entdeckung gelungen ist.