Für viele Musiker ist Johann Sebastian Bach Ausgangspunkt, regelmäßiger Zwischenstopp, zuweilen sogar Ziel der persönlichen Kunst. Auch Janine Jansen beschäftigt seit ihren Anfängen mit den Geigenwerken des Barock-Komponisten, zunächst als Übungen, immer häufiger aber ebenso als individuelle Herausforderung. Als die holländische Violinistin die Möglichkeit bekam, sich einigen ausgewählten Stücken von Bach mit einer Aufnahme zu nähern, entschloss sie sich, nicht nur bewährte Glanzstücke wie die “d-Moll Partita” auszuwählen, sondern darüber hinaus sich mit Transkriptionen für die Triobesetzung zu beschäftigen. So entstand ein Album mit großem Spannungsbogen, das Jansen durch den Kosmos der Barockmusik leitet und sie zugleich mit zwei ausgezeichneten Kollegen, dem Bratschisten Maxim Rysanov und dem Cellisten Torleif Thedéen, zusammenführt.
Es ist natürlich auch eine inhaltliche Entscheidung, sich als junge Künstlerin der eher intimen Kammermusik und nicht den großen Bravourstücken der Konzertvirtuosität zuzuwenden. Janine Jansen allerdings fällt sie nicht schwer. “Kammermusik habe ich buchstäblich schon mein ganzes Leben gespielt”, meint die Geigerin mit spürbarer Begeisterung. “Als ich neun Jahre alt war, setzte mich meine Lehrerin in ein Klavierquintett, was ich im Nachhinein nie bereut habe. Es ist so wichtig, früh damit anzufangen, denn nur so lernt man, auf das zu reagieren, was in diesem direkten und intimen Rahmen um einen herum geschieht. Kammermusik ist dabei so entlarvend: Im Spiel offenbart sich die eigentliche Persönlichkeit. Es ist eine meiner große Leidenschaften – und dann ist natürlich auch das Repertoire einfach überwältigend”. Früh übt sich also, wer eine Meisterin werden will, wobei der Weg zur Musikerin von Janine Jansen so selbstverständlich wie nur irgend möglich beschritten wurde. Seit sie im Alter von vier Jahren begann, ihrer im Kirchenchor singenden Mutter nachzueifern, fand sie ebenso selbstverständlich wie systematisch den Weg zur Musik. Zur Geige wurde sie, nach anfänglicher Liebe zum Cello, durch ein Vorspiel bei der Musikpädagogin Coosje Wijzenbeek bekehrt, bei der die Sechsjährige bald regelmäßig Unterricht hatte. Da sie enormes Talent und noch dazu Ehrgeiz hatte, ging es schnell voran. Mit zehn Jahren stand Jansen zum ersten Mal vor Publikum auf der Bühne. Ihr Lehrer am Utrechter Konservatorium Philipp Hirshhorn verhalf ihr zum Feinschliff interpretatorischer Detailarbeit. Sie debütierte 1997 am Amsterdamer Concertgebouw, war bald darauf mit Pultstars wie Valery Gergiev aus Tournee und ist inzwischen erfolgreich in der Musikwelt von Japan bis in die USA unterwegs.
Und sie hat sich auch Foren geschaffen, um über den Konzertbetrieb hinaus neue und überraschende musikalische Kombinationen auszuprobieren. So gründete Jansen beispielsweise anno 2003 ein Kammermusikfestival in Utrecht und kooperierte dort bislang mit zahlreichen renommierten Kollegen von Mischa Maisky bis Jean-Yves Thibaudet. Bei einer dieser Gelegenheiten fand sie sich auch mit dem Bratschisten Maxim Rysanov und dem Cellisten Torleif Thedéen zusammen, eine Kombination, die viel Gemeinsamkeit versprach. Als es schleißlich zu den Vorbereitungen der Aufnahmen von Bachs “Zweistimmigen Inventionen BVW 772–786”, “Dreistimmigen Sinfonien BWV 787–801” und der berühmten “d-Moll Partita BWV 1004” kam, stellte sich die Verbindung der musikalischen Charaktere als synergetisch ergänzend heraus. “In den Aufnahmesitzung haben wir uns so unglaublich gut kennen gelernt, und zwar nicht nur musikalisch drurch die intensive Arbeit, sondern auch weil wir viel Zeit miteinander verbracht haben”. Diese Gemeinsamkeit ist bei jeder der zahlreichen einzelnen Miniaturen, die vom Komponisten einst als Übungswerke für Sohn oder Schüler gedacht waren, unmittelbar spürbar. Wie ihre Linien harmonieren, gleichberechtigt ineinander laufen und sich ergänzen; wie sie vor allem daran interessiert sind, im Ganzen zu wirken – das macht diese Aufnahme zu einem Hörgenuss. Ganz abgesehen von der grandiosen Solo-Partita, mit er Janine Jansen sich abermals für einen der vorderen Plätze der internationalen Konkurrenz empfiehlt.