Schon vor seiner Uraufführung im Jahr 1902 erhitzte Arnold Schönbergs Frühwerk “Verklärte Nacht” die Gemüter. Der Vorstand des Wiener Tonkünstlervereins lehnt das Werk ab, “wegen des ‘revolutionären’ Gebrauchs einer – das heißt einer einzigen unerlaubten Dissonanz”, so Schönberg. Ein anderer Kritiker spottete: “Das klingt ja, als ob man über die noch nasse Tristan-Partitur darübergewischt hätte!” Dabei gab sich der spätere Entdecker der Zwölftontechnik in “Verklärte Nacht” vorerst noch als sanfter Revolutionär. Besagte Dissonanz “schrieb ich ohne theoretisch zu wissen, was ich tat, bloß meinem Gehör folgend”, erklärte er. Das Neuartige des ansonsten weitgehend der Tradition verhafteten Werks besteht in der erstmaligen Verschmelzung von Tondichtung und Kammermusik. Entgegen dem von Wagner und Strauss dominierten Zeitgeist vertonte Schönberg das gleichnamige Gedicht von Richard Dehmel nicht für einen mächtigen symphonischen Orchesterapparat. Doch wen wundert es, buhlte er zum Zeitpunkt der Komposition doch um die Gunst von Mathilde Zemlinsky, seiner späteren Ehefrau. So hinterlies Schönberg mit seiner Vertonung eines Poems, das die gesellschaftliche Konventionen sprengende Kraft der Liebe beschwört, ein intimes Dokument, dessen suggestive und hoch emotionale Klangsprache es zu seiner beliebtesten und meist gespielten Schöpfung machen sollte. “Das Werk ist oft zu hören gewesen”, schrieb Schönberg später nicht ohne Bitterkeit, “doch sicher hat es niemand so oft gehört wie ich die folgende Beschwerde: ‘Wenn er doch noch nur in diesem Stil weiterkomponiert hätte.’“
“Unsagbare Traummusik”
Franz Schubert war es nicht vergönnt, die Aufführung seines Streichquintetts in C-Dur selbst zu erleben. Am 2. Oktober 1828, sieben Wochen vor seinem Tod, schrieb der Komponist an den Leipziger Musikverleger A. Probst, er habe “endlich ein Quintett für 2 Violinen, 1 Viola u. 2 Violoncello verfertigt.” Doch jener scheint kein Interesse an dem Werk gehabt zu haben und erst 23 Jahre nach Schuberts Tod wurde es erstmals aufgeführt. Heute gilt es als einsamer Gipfel der Kammermusikliteratur. “Vor Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur verneigen sich alle Menschen, denen Musik etwas bedeutet”, sagte der Musikkritiker Joachim Kaiser einmal. Statt für ein Streichquartett mit zusätzlicher Violine zu schreiben, die herkömmliche Besetzung für ein Streichquintett, komponierte Schubert sein Werk für ein weiteres Cello und kreierte damit einen dunkleren, volltönenderen Klang für diese tragisch-schöne Musik. Jeder Moment seines Werks ist vollendet: das intime Cello-Duett im ersten Satz, die schlichte Grazie des dritten Satzes und der rhythmische Biss des Finales. Herzstück der Komposition ist das ergreifende Adagio, “unsagbare Traummusik – an der alles Gewohnte versagt”, wie der Musiktheoretiker Clemens Kühn schreibt.
Langjähriger Traum
Mit ihrer neuen Einspielung feiert Janine Jansen das 10. Jubiläum ihres Internationalen Kammermusikfestivals Utrecht. “Es war seit Jahren ein großer Traum von mir, meine zwei Lieblingskompositionen für Kammerensemble, Schuberts Streichquintett in C-Dur und Schönbergs ‘Verklärte Nacht’ aufzunehmen – mit engen Freunden und langjährigen Kammermusikpartnern”, erklärt die niederländische Ausnahmegeigerin. Die Aufnahmen, mitgeschnitten bei umjubelten Konzerten in Dortmund im Mai 2012, realisierte Jansen mit einem Aufgebot von Weltklassemusikern, dem schwedischen Cellisten Torleif Thedéen, dem ukrainischen Bratschisten Maxim Rysanov, dem in Russland geborenen Geiger Boris Brovtsyn, dem israelischen Geiger Amihai Grosz und dem deutschen Cellisten Jens Peter Maintz. Gemeinsam waren die Musiker im zurückliegenden Jahr mit dem Programm auf einer von enthusiastischen Kritiken begleiteten Tour. Der Independent nannte die Darbietung von Schönbergs Werk “makellos” und die Schubert-Interpretation “überwältigend”, während der Guardian von einem “wundervoll strukturierten und organischen, absolut atemberaubenden” Schönberg schwärmte und eine Schubert-Version von Janine Jansens Ensemble lobte, “die jahrelang im Gedächtnis bleiben wird.”