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Janine Jansen
Janine Jansen

"Einfach überragend"

15.10.2008

Der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick gehörte zu den unangenehmen Zeitgenossen, der bei manch einer Besprechung so deutlich über das Ziel hinausschoss, dass er nicht nur Komponisten und Künstler beleidigte, sondern sich auch als Autor von erstaunlicher Kurzsicht verewigte. Zu Tschaikowskys Violinkonzert schrieb er allen Ernstes, das Werk brächte den Zuhörer “auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört”. Der Komponist jedenfalls war tief gekränkt und wie es sich zeigte, hatte Hanslick ihm erschreckend Unrecht getan. Denn das Violinkonzert gehört zu den ergreifendsten Werken seiner Gattung, gerade wegen seiner enormen emotionalen Kraft. Die Geigerin Janine Jansen jedenfalls hat sich nun einen Traum erfüllt und Tschaikowskys gewaltiges Konzertepos gemeinsam mit Daniel Harding auf CD festgehalten.

Als junge Geigerin hat man Träume. Tschaikowskys Violinkonzert kann dazu gehören. “Wie keine andere ruft die Musik der Romantik in mir Emotionen und Erinnerungen wach”, meint die holländische Stargeigerin im Gespräch über ihr aktuelles Projekt. “Sie wirkt unmittelbar und ist imstande, den Menschen zu entrücken. Tschaikowsky ist für mich in dieser Hinsicht ein Paradebeispiel. Schon als Kind hatte ich den Traum, irgendwann einmal sein Violinkonzert zu spielen”. Allerdings war das ein mächtiges Vorhaben, denn das Stück gehört zu den schwersten Werken seiner Gattung überhaupt, nicht nur im Hinblick auf die Figuren und Kadenzen, sondern auch im Anspruch, die Spannung der Leidenschaft über die lange Distanz einer halben Stunde halten zu können.
 
Entstanden war es einst in einer Art von Schaffensrausch, der den Komponisten am Genfer See überkam, nachdem ihn dort ein ehemaliger Schüler und hervorragender Geiger namens Yosif Kotek besucht hatte. Tschaikowsky widmete es allerdings dem Kollegen Leopold Auer, der es aber nicht spielen wollte und gar für “unviolinistisch” hielt. So kam das Konzert erst mit drei Jahren Verspätung und Adolph Brodsky als Solisten im Dezember 1881 mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Hans Richter zur Aufführung. Hanslicks Fehlurteil übrigens sollte bald revidiert werden. Denn es dauerte nur wenige Jahre und das Werk gehörte bereits zu den viel und gern gespielten Höhepunkten dieses Fachs.
 
Dabei stellt es die Interpreten vor gewaltige Aufgaben. “Das Allegro Moderato ist eigentlich ein Violinkonzert in sich”, erläutert Janine Jansen ihre Auffassung der Interpretation. “Stürmisch, leidenschaftlich, drängend und mit einer langen Kadenz in der Mitte. Die meistern anderen Komponisten würden das nur ein wenig auskosten, aber Tschaikowsky wartet mit einem längeren Anhang auf, wobei er das, was vorher zu hören war, leicht variiert. Eine echte Herausforderung”. Jedenfalls spornte es Janine Jansen an, sich abermals intensiv mit dem Werk zu beschäftigen, das seit längerem schon zu ihrem Repertoire gehört. Zum ersten Mal öffentlich stellte sie es im Jahr 2000 zusammen mit Valery Gergiev und dem Kirov-Orchester vor. Zwei Jahre später war es bei ihrem gefeierten Londoner Debüt mit Vladimir Ashkenazy auf dem Programm.
 Diesmal nun standen ihr Daniel Harding und das famose Mahler Chamber Orchestra zur Seite. Die Aufnahmen wurden live im spanischen Santiago de Compostela festgehalten und noch um das dreisätzige “Souvernir d’un lieu cher” ergänzt, das ursprünglich aus einem wieder verworfenen zweiten Satz des Violinkonzertes hervorgegangen ist. Jansen macht auch dieses Stück zu einem Fest der Sinne, tief und umfassend, liebevoll und poetisch. So kann man einmal mehr verstehen, warum der Rezensent von The Times – ganz anders als der historische Hanslick – bei der Besprechung des Konzertes, das der Aufnahme zugrunde liegt, zu einem Superlativ hinreißen ließ und über Janine Jansen meinte: “Sie ist einfach überragend”

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