Vladimir Ashkenazy war schwer beeindruckt. Kurz nachdem er Janine Jansen bei ihrem Debüt in der Londoner Royal Festival Hall begleitet hatte, schrieb er einen Empfehlungsbrief, in dem zu lesen war: “Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie sehr ich es genossen habe, mit dieser jungen Geigerin zu arbeiten”. Tatsächlich ist Jansen ein Phänomen. Sie ist ein Jahrhunderttalent, dem kaum etwas zu kompliziert zu sein scheint. Und die mit Gefühlen in der Musik nicht geizt.
Janine Jansen hat den Weg der großen Emotion gewählt: “Wir haben Stücke ausgesucht, die mir ganz nah am Herzen liegen. Durch die große Variation der Auswahl kann ich all meine verschiedenen Seiten zeigen”. Wir, das sind der Dirigent Barry Wordsworth, den sie bei den Aufnahmen für ihr Decca-Debütalbum kennen gelernt hatte, und sie selbst. Und die Auswahl reicht von Tschaikowskys “Danse Russe” über Saint-Saëns “Havanaise” bis hin zu Vaughan Williams “The Large Ascending” und John Williams Titelmelodie zu “Schindlers Liste”. Maßgeblich ist dabei vor allem die in den Werken angelegte Verbindung von Virtuosität und Intensität der Darstellung. Denn Jansen hat eine verblüffende Gabe, selbst atemberaubende Tonkaskaden der Romantik wie einen spontanen Gefühlsausbruch klingen zu lassen.
Ihre Stradivari “Barrere” von 1727, die ihr früher bereits mehrfach und in diesem Fall speziell für die Aufnahme von der Stradivari Society of Chicago und dem Elise Mathilde Fund zur Verfügung gestellt wurde, wirkt daher wie ein warmes, volles Instrument mit strahlendem, tragendem Ton. Mühelos verleiht es mit Jansens Hilfe den Interpretationen eine Brillanz, die selbst die schwülen Momente national-folkloristisch gefärbten Überschwangs etwa bei Tschaikowsky oder Khachaturian im Sinne musikalischer Euphorie umdeutet. Da spielen die junge Geigerin, ihr Dirigent und das Royal Philharmonic Orchestra in der ersten Liga mit, als hätten sie schon Jahrzehnte gemeinsam vor Mikrofonen gestanden.
Überhaupt zeichnet sich Jansen durch eine erfrischende Leichtigkeit im Umgang mit darstellerischen Konventionen aus. Seit das Mädel aus dem holländischen Soest im Alter von vier Jahren begann, ihrer im Kirchenchor singenden Mutter nachzueifern, fand sie ebenso selbstverständlich wie systematisch den Weg zur Musik. Zur Geige wurde sie, nach anfänglicher Liebe zum Cello, durch ein Vorspiel bei der Musikpädagogin Coosje Wijzenbeek bekehrt, bei der die Sechsjährige bald regelmäßig Unterricht hatte. Da sie enormes Talent und noch dazu Ehrgeiz hatte, ging es schnell voran. Mit zehn Jahren stand Jansen zum erstenmal vor Publikum auf der Bühne. Ihr Lehrer am Utrechter Konservatorium Philipp Hirshhorn verhalf ihr zum Feinschliff interpretatorischer Detailarbeit. Sie debütierte 1997 am Amsterdamer Concertgebouw, war bald darauf mit Pultstars wie Valery Gergiev auf Tournee und ist inzwischen erfolgreich in der Musikwelt von Japan bis in die USA unterwegs. “Wenn ich spiele, bin ich einfach ich selbst”, fasst sie ihr Credo in einem Satz zusammen. Ihr Debüt “Janine Jansen” wird seinen Teil dazu tun, den Ruf als außergewöhnliche Geigerin über Europa hinaus zu mehren.