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Joan Sutherland
Joan Sutherland

Die Königin der Stimme

08.11.2006

Superlative werden schnell vergeben. Umso erfreulicher ist es, wenn ein Künstler das an ihn herangetragene Lob auch ausfüllen kann. Die australische Sopranistin Joan Sutherland wurde während ihrer rund vier Jahrzehnte auf der Bühne oft als “die Stimme des Jahrhunderts” apostrophiert. Man hat ihr außergewöhnliches Timbre, betörende Intensität und mitreißende Emotionalität attestiert, sie eine “einzigartige und wunderbare Künstlerin” (Luciano Pavarotti) genannt und immer wieder betont, mit welcher Souveränität sie selbst die schwierigsten Passagen und höchsten Lagen meisterte. Am 7.November 2006 feierte Joan Sutherland ihren 80.Geburtstag. Aus diesem Grund veröffentlicht ihre langjährige Plattenfirma Decca nicht nur die wunderbare “Norma” aus den Sechzigern, sondern mit “Serate Musicali” auch einen legendären Liederabend zusammen mit Richard Bonynge am Klavier und ein opulent gestaltetes Doppelalbum mit Highlights ihrer Karriere auf CD, das sich in großem Rahmen bei der “Voice Of The Century” für ihre Kunst bedankt.

Joan Sutherlands Karriere klingt märchenhaft, hätte aber beinahe gar nicht erst begonnen. Als junges Mädchen aus Point Piper bei Sydney war sie sich nicht sicher, ob sie eines Tages die großen Bühnen der klassischen Welt begeistern könnte. Sie lernte vielmehr Steno und Schreibmaschine, tippte während ihres Studiums unzählige Wetterberichte und hoffte auf die richtige Gelegenheit, den Absprung zu schaffen. Diese kam nach ersten, hoffnungsvollen Versuchen in Gestalt des Dirigenten Richard Bonynge, der ihrer künstlerischen Laufbahn nicht nur den nötigen Anstoß gab, sondern auch ihr Ehemann wurde. Mit 21 Jahren sang Sutherland in ihrer Heimatstadt die Titelrolle von Purcells “Dido and Aeneas”, in den Höhen etwas scharf, insgesamt uneinheitlich im vokalen Erscheinungsbild. Aber ihre Stimme hatte etwas Besonderes, eine emotionale Ausstrahlung, die die Menschen zu faszinieren verstand. Und so machte sie weiter, gewann den “Mobil Quest 1950”, der es ihr ermöglichte, 1951 ihre Studien in London an der Royal Academy of Music bei Clive Carey fortzusetzen. Kaum in in der englischen Hauptstadt angekommen, war sie am Covent Garden als 1.Dame in der “Zauberflöte” zu hören. Ihr Sopran faszinierte das Publikum und machte sie zur ersten Wahl für eine Starbesetzung. Als 1953 Bellinis “Norma” mit Maria Callas in der Titelrolle inszeniert wurde, bekam Sutherland die Partie der Clothilde. Erfolg setzte ein, sie bewährte sich daraufhin als Aida, Amelia (“Ein Maskenball”, Verdi), Eva (“Die Meistersinger von Nürnberg”, Wagner – “viel zu früh in meiner Entwicklung”, wie sie später meinte) und Agathe (“Der Freischütz”, Weber).
 
Der Durchbruch jedoch kam im Jahr 1959. Richard Bonynge, damals Korrepetitor am Covent Garden, überredete erst sie selbst, dann den Verwaltungschef des Hauses, Sutherland eine Rolle aus dem 19. Jahrhundert singen zu lassen. Im Verborgenen probten die beiden, bis sich die Sängerin ihrer Sache sicher war, und als ihr dann tatsächlich die Titelpartie von Donizettis “Lucia di Lammermoor” angetragen wurde, gelang die Überraschung. Aus der lyrischen Sopranistin war ein strahlender, beeindruckender Koloratursopran geworden, der das Publikum förmlich von den Sitzen riss. Seit der Callas wurde in London nicht mehr so euphorisch applaudiert wie bei Sutherlands “Lucia”. Von da an ging es noch steiler bergauf als bisher schon. Im selben Jahr gastierte Sutherland in Wien, bald darauf in Genua, Venedig, an der “Scala” in Mailand, der “Met”. Am 17. Oktober 1963 sang sie erstmals die Titelrolle in Bellinis “Norma”, eine Partie, die sich zu einer ihrer Glanzrollen entwickelt. Nicht zuletzt Donizettis melodramatische Figur verhalf ihr dazu, über mehr als dreißig Jahre eine der bedeutendsten Sopranistinnen ihrer Generation zu bleiben, und das obwohl die Bandbreite ihres Repertoires stetig zunahm. An ihrer Seite während der legendären Aufführungen war übrigens Marilyn Horne als Adalgisa zu hören. Für die Aufnahmen der “Norma”, die im Juli 1964 in der Walthamstow Assembly Hall entstanden, gesellten sich John Alexander (Pollione), Richard Cross (Oroveso), Yvonne Minton (Clothilde) und Joseph Ward (Flavio) zum Team, die Londoner Symphoniker wurden dirigiert von Ehemann Bonynge.
 
Ebenfalls legendär wurde ein Abend im Juni 1978, an dem Sutherland und Bonynge, diesmal am Klavier, an eine vergessene gesellschaftliche Tradition des 19.Jahrhunderts erinnerten. Denn die beiden Stars der Opernszene luden zu einem Salonabend in ihrem Chalet in Les Avants in der Schweiz. Es war ein Event für besondere Gäste und auch für die Mikrofone des Decca-Teams, dem es gestattet wurde, diese quasi privaten Momente mitzuschneiden. Auf dem Programm der nun unter dem Titel “Serate Musicali” erstmals vollständig auf CD veröffentlichten Mitschnitte standen Arien von Rossini und Bellini, Leoncavallo und Rossini, Respighi und Verdi, aber auch von Bizet, Massenet, Gounod und Meyerbeer. Und es wurden unglaubliche Konzertmomente. Denn die Atmosphäre des persönlichen, künstlerisch intimen Rahmens übertrug sich auf die Inspiration der Beteiligten. War Sutherland auf großen Bühnen bereits eine begnadete Interpretin, so griff sie in diesen Momenten eindrucksvoll zu den Sternen und gab den Arien eine Seele, die nur ganz selten sonst im Konzertalltag erreicht werden.
 
Joan Sutherland blieb bis in die späten achtziger Jahre auf der Bühne aktiv. 1990 spielte sie ihre letzte Bühnenrolle an der Oper von Sydney als Marguertie von Valois in Meyerbeers “Die Hugenotten”, am Ende des Jahres nahm die ihren Abschied von der Bühne mit der Silvestervorstellung der “Fledermaus” an der Londoner Covent Garden Opera. Bereits 1979 wurde schließlich wegen ihrer umfassenden Verdienste um die Musik von Königin Elizabeth II durch die Verleihung des Titels “Dame” geadelt. 1991 wurde sie dann von der britischen Königin zum Mitglied des sehr exklusiven Order of Merit berufen, im Jahr 1998 erklärte der Bürgermeister von New York Rudolph Giuliani den 6. Mai zum “Dame Joan Sutherland Day”. Mit der Edel-Edition “The Voice Of The Century” werden nun noch einmal wesentliche Stationen ihres Repertoires in zum Teil weltberühmten Aufnahmen präsentiert. Arien von Verdi, Rossini, Puccini gehören ebenso dazu wie ihre Glanzstücke etwa aus Donzettis “Lucia Di Lammermoor” und Bellinis “Norma”. Aufgenommen überwiegend am Royal Opera House und dirigiert von Koryphäen wie Bonynge, Zubin Metha und Sir John Pritchard, würdigt “The Voice Of The Century” auf 2 CDs und mit 70-seitigem Booklet eine Künstlerin, die nie ein Star sein wollte, doch umso mehr einer war.

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Joan Sutherland The Voice of the century
6. Nov. 2006

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