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José Carreras
José Carreras

Musik für die blaue Stunde

29.11.2002

Was leicht klingt, ist schwer zu spielen. Denn gerade die Lockerheit der Interpretation erfordert enorme Erfahrung, um nicht oberflächlich zu klingen. José Carreras ist ein Meister der charmanten Qualität. Und er ist der richtige Mann, um melancholischen Liedern vor Albéniz bis Tschaikowsky die passende Form zu geben.

“Diese Sammlung von klassischen und einigen eher populären Liedern habe ich selbst zusammengestellt. Ich übernehme damit das Erbe so großer Tenöre wie Schipa, Caruso oder des von mir so verehrten Giuseppe Di Stefano. Sie alle hatten dieses Repertoire in ihrem Konzertprogramm. Auch ich singe diese Lieder in meinen Recitals rund um den Globus, und so gesehen ist es eine sehr persönliche Auswahl”. José Carreras nimmt seine Rolle als Mittler zwischen den musikalischen Welten sehr ernst. In den Neunzigern gemeinsam mit Luciano Pavarotti und Placido Domingo vom international gefeierten Opertenor zum Superstar des Klassik-Business aufgestiegen, hat er inzwischen seine Berufung darin entdeckt, das anspruchsvolle Repertoire der Gesangsliteratur auf für den kunstliebenden Laien zugänglich zu machen. Aus diesem Grund präsentiert er mit “Malinconia DýAmore” sechzehn Lieder und Arien im kammermusikalischen Gewand eines kleinen Ensembles. Dabei gehen ihm langjährige Weggefährten wie der Pianist Lorenzo Bavaj und das aus vier Musikern der Wiener Philharmonikern besetzte Ensemble Wien zur Hand.

 

Und José Carreras hat das Gespür für Sentiment ohne Sentimentalität. Behutsam gruppiert er die ausgewählten Lieder um das Thema der Melancholie und stellt vor allem Melodien aus dem 19.Jahrhundert zusammen. Wunderbare Weisen aus seiner Heimat sind dabei, Kompositionen von Isaac Albéniz, Amadeo Vives und Enric Morera. Bekannte Namen wie Peter Iljitsch Tschaikowsky und Jules Massenet stehen neben heute vielfach in Vergessenheit geratenen Zeitgenossen wie Luigi Denza, Pasquale Mario Costa und Enrico Toselli. Allen gemeinsam ist jedoch die Sensibilität für die bittersüß traurigen Schwingungen des Seele. Carreras volumen- und farbenreiche Stimme, seine pointierte Artikulation und perfekte Balance zwischen Emphase und Rücknahme ergänzen sich mit den eigens für diese Besetzung geschriebenen Arrangements der Lieder zum harmonischen Miteinander von Anspruch und Vermittelbarkeit. Denn der Tenor und seine musikalischen Gegenüber an Streichinstrumenten und Klavier ergeben eine künstlerische Einheit, die das Nachempfinden der Stimmungen ernst nimmt und tief in die Lieder und deren Charaktere eintaucht. So entsteht ein Panoptikum der musikalischen Melancholie, das nostalgisch und stilvoll an die Zeit erinnert, als große Gefühle noch nicht zerredet wurden und feine Emotionen populär waren.

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