Schon mit drei Jahren soll der junge Malteser leidenschaftlich gern gesungen haben. Aber jedes Talent benötigt eine Initiation, einen Moment der Entscheidung, in dem klar wird, dass es sich seiner Begabung und nur seiner Begabung widmen wird. Bei Joseph Calleja, der heute mit nur 35 Jahren als einer der bedeutendsten lyrischen Tenöre weltweit gilt, fiel die endgültige Entscheidung, als er den Film “The Great Caruso” (1951) sah. Betört von Mario Lanza, der darin den großen italienischen Opernsänger Enrico Caruso spielt, entschied sich Calleja zum Gesangsstudium.
Sein ungewöhnliches Talent war schnell entdeckt. Mit nur 19 Jahren bestritt er in der Rolle des Macduff aus Shakespeares “Macbeth” sein professionelles Bühnendebüt. Das war 1997, auf Malta, seiner Heimat, der er sich bis heute stark verbunden fühlt. 1998 gewann er den Caruso-Wettbewerb in Mailand und 1999 Domingos Operalia-Wettbewerb. Danach waren seinem steilen Aufstieg keine Grenzen mehr gesetzt, und er war in der Folge in den bedeutendsten Opernhäusern weltweit zu hören, von der Met in New York bis zur Wiener Staatsoper.
Joseph Calleja war allerdings auch bald klar, dass sich sein künstlerisches Begehren nicht in der Opernbühnenexistenz erschöpft, sondern nach draußen drängt, in neue Bereiche. Ohne die Oper zu verraten und die hohe Kunst des Gesangs in unpassender Manier mit Pop zu verbinden, bahnte er sich seinen eigenen Weg in die Gefilde der leichteren Muse.
Als beredtes Zeugnis dafür, wie gelungen ein solcher Ausflug sein kann, wenn er sich dazu noch mit traditionellem Repertoire verbindet, kann nun seine neues Album “Amore” gelten. Es bietet eine gelungene Mischung aus Opernarien und Songs. Neben italienischen Klassikern wie “La Serenata” von Paolo Tosti oder dem unvergessenen neopolitanischen Lied “O sole mio” von Eduardo di Capua findet sich auf dem Album auch viel für Calleja eher Unübliches, etwa das französische Chanson “La vie en rose”, das bewegende Abschiedslied “Time to say goodbye” (Con te partirò) oder der berühmte deutsche Schlager “In mir klingt ein Lied”.
Frappierend ist dabei, wie dieses höchst unterschiedliche Liedmaterial so harmonisch auf einem Album zusammenklingt. Man kann es in einem Zug durchhören und wird dabei getragen von Callejas leichter, außergewöhnlich flinker Stimme, die Koloraturen so diskret und fließend zu singen vermag, dass man als Hörer regelrecht mitschwingt. Dabei fehlt diesem Tenor keineswegs das Volumen. Calleja, der ein kräftiger, großer Mann ist, kann, wie David Mellor angemerkt hat, im Mezzoforte jeden großen Zuhörersaal füllen. Und von dieser Kraft kann man sich auch auf dem neuen Album immer wieder überzeugen.
Wenn er zum Beispiel das Lied “Caruso” von dem viel zu früh verstorbenen Lucio Dalla singt, den er vor einigen Jahren selbst noch auf Malta empfing, dann überschreitet er an manchen Stellen die Grenze ins Heroische, und dem Hörer wird schlagartig bewusst, welch eine überwältigende Bedeutung Enrico Caruso, der in Dallas Lied zu einem leidenden Liebenden verklärt wird, für Joseph Calleja hat.
Die musikalische Spezialität des jungen Maltesers bleibt aber der sehnsüchtige, schmachtende und nostalgische Ton, den er mit seiner leichten Lieblichkeit in eine reife romantische Form gießt. “La vie en rose” ist ein sprechendes Beispiel hierfür. Calleja singt es so gelassen, so reif und weise, dass man, was selten genug ist, den Ton der Piaf darüber fast völlig vergisst. Das russische “Net, tolko tot, kto znal” (None but the lonely heart) vertieft diese Stimmung des melancholischen Eingedenkens noch, bis hinein in eine intime, in sich ruhende Gesangspoesie, die demonstriert, dass Calleja auch der langsamen, konzentrierten Nachdenklichkeit stimmlich gewachsen ist. So gesehen: eine gesangliche Offenbarung dieses Album, ein Panorama des gefühlsbetonten Liedes.