Vor kurzem hat Mitsuko Uchida den Ehrendoktorhut der Universität von Oxford verliehen bekommen und seit Anfang des Jahres darf sie sich auf Geheiß der britischen Königin auch „Dame“ nennen. Das sind klare Zeichen für die Anerkennung, die die in London lebende japanische Pianistin inzwischen erfährt. Sie selbst allerdings nimmt solche Ehrungen eher gelassen entgegen, denn ihr geht es vor allem um die Kunst, die sie selbst präsentieren und deren Kraft sie an die kommende Generation weiter geben will. Gemeinsam mit Richard Goode leitet sie beispielsweise das Marlboro Festival in Vermont, wo sie viel mit jungen Musikern zusammen arbeitet. Und immer wieder setzt sie sich auch selbst an den Flügel, um große Kunstwerke wie die Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart weiter zu erforschen.
Mozart ist überhaupt eines der zentralen Kapitel in Mitsuko Uchidas Künstlerleben. Vor rund einem Vierteljahrhundert hatte sie beispielsweise eine Aufsehen erregende Gesamteinspielung der Klaviersonaten des Wiener Klassikers verwirklicht, die seitdem zu den Referenzaufnahmen ihrer Sparte zählt. Aber damit ist das Thema noch lange nicht abgeschlossen. Eigentlich, gab sie unlängst in einem Zeitungsinterview zu bedenken, könne sie die Werke ständig neu einspielen, denn sie würden sich trotz aller Erfahrung andauernd verändern. Manchmal allerdings hat Mitsuko Uchida das Gefühl, dass ein Punkt erreicht ist, um bestimmte Stücke auf CD festzuhalten. Im vergangenen Dezember beispielsweise wandte sie sich zwei der bekanntesten und daher auch am schwierigsten zu interpretierenden Klavierkonzerten Mozarts zu: dem „Konzert in A-Dur, KV 488“ und dem „Konzert in c-Moll, KV 491“. Um ein Optimum der musikalischen Einheit zu erreichen, verzichteten Uchida auf einen Dirigenten und leitete das Cleveland Orchestra live und selbst vom Flügel aus.
Das ist natürlich ein Experiment, aber es gründet in der umfassenden Erfahrung der Pianistin mit Mozarts Oeuvre. Beide Konzerte standen an einer besonderen Stelle der eigenen Schaffenskraft. Nach mehreren und beim zeitgenössischen Publikum sehr erfolgreichen Klavierkonzerten, die er in einem vergleichsweise einfach verständlichen Stil geschrieben hatte, hatte sich der Komponist in rasantem Tempo weiter entwickelt. Erst kam das finstere a-Moll-Konzert KV 466, das bereits für einige Irritationen gesorgt haben musste, da es durchaus nicht der üblichen euphorischen Wiener Musikstimmung entsprach, an die Mozart bislang angeknüpft hatte. Mit dem wiederum versöhnlichen KV 488 vom März 1786 könnte er bewusste Zugeständnisse an den Publikumsgeschmack gemacht haben, die er allerdings bereits wenige Wochen später mit dem KV 491 in der als leidenschaftlich und klagend geltenden Tonart c-Moll wieder revidierte.
Jedenfalls experimentierte Mozart ausgiebig, auch in der Instrumentierung des Orchesters und der Strukturierung der Sätze, so dass beide Konzerte von der Forschung gerne als Wendepunkte im konzertanten Schaffen des Komponisten gesehen werden. Für Interpreten wiederum bieten sie ein großes Spektrum der Entfaltungsmöglichkeiten, denn gerade die Ausdifferenzierung der Solistenrolle des Klaviers im Kontrast zu den Ensemblestimmungen ermöglichen umfangreiche Auseinandersetzungen mit Farben und Funktionen der einzelnen Stimmen. Mitsuko Uchida nützt diese Chance in ihrer Doppelpunktion als Pianistin und Dirigentin und hebt die beiden Konzerte auf eine Stufe des musikalischen Harmonie und Konsistenz, die die Aufnahmen zu einem besonders ausgewogenen Hörgenuss werden lassen.
Mehr Informationen zu Mitsuko Uchida unter www.klassikakzente.de/mitsukouchida