Für Wolfgang Amadeus Mozart waren es glückliche Jahre. Für den in Wien lebenden Salzburger überschlugen sich die Ereignisse. Er hatte sich in den erlauchten Kreisen der Stadt etablieren können, seine „Akademien“ genannten Konzertabende waren voll von begeisterten Anhängern, die Opern verhalfen ihm zu weiterem Ruhm und die Unterrichtsstunden brachten Geld ins Haus, aber auch Stress mit sich: „Der ganze Vormittag geht mit Lectionen herum, folglich bleibt mir nichts als der Abend, zu meiner lieben Arbeit – zur Komposizion“, schrieb er im Februar 1784 an seinen Vater. Dementsprechend nebenbei und unter Zeitdruck entstanden die meisten seiner Werke. Sein dunkelstes und bald darauf bekanntestes „Klavierkonzert d-moll, K 466“ zum Beispiel, beendete der Komponist am 10.Februar 1785, einen Tag bevor er es bei einem Subskriptionskonzert im städtischen Kasino „Zur Mehlgrube“ in Anwesenheit seines gestrengen Vaters uraufführt. Trotzdem kam großes Lob vom Publikum und aus berufenem Munde. Joseph Haydn etwa, der sich damals gelegentlich bei Mozarts blicken ließ, schrieb wenige Tage später an Leopold Mozart: „Ich sage ihnen vor Gott, als ein ehrliche Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne“.
Mozart schrieb Klavierkonzerte wie am Fließband, für befreundete Schülerinnen, als Fingerübungen für Fortgeschrittene oder auch als Herausforderungen für sich selbst (über K 451 und K 453 schrieb er an seinen Vater, das seien „Concerte, welche schwitzen machen“). Und doch war er in der Kunst der Gestaltung bereits so souverän, dass viele dieser Werke bis heute Publikum und Musiker faszinieren. Die Pianistin Mitsuko Uchida etwa kam als 12jährige Teenagerin aus ihrer japanischen Heimat nach Wien, blieb dort ein prägendes Jahrzehnt ihrer Jugend und Ausbildung, um sich dann international auf die Suche nach ihrem Platz in der Konzertgesellschaft zu machen. Für sie war es eine wichtige Dekade, in der sie sich nicht nur zu einer der versiertesten Pianistinnen ihrer Generation entwickelte, sondern darüber hinaus auch die deutsche Sprache mit dem besonderen Zusatz des Wiener Dialektes lernte und damit auch tief in die Gedankenwelt sowohl der klassischen Jahre Haydns, Mozarts, Beethovens, wie auch Weberns und Schönbergs eintauchen konnte, um deren Werke aus der Perspektive der sprachlichen Reflexionen zu verstehen.
Im Fall von Mozart führte das zu einer klaren Einschätzung eines kreativen Menschen, der mit seinen Konzerten ein Genre revolutioniert hat. Mozart war der erste Komponist, der das Solo-Instrument als eigene Stimme ernst genommen hat, die auch jenseits der Virtuosität mit dem Orchester in ein Zwiegespräch mündet. Für Mitsuko Uchida ist es daher nur konsequent, diese Dialoge als Solistin vom Flügel aus zu leiten. Uchida dirigiert untypisch, ihrer Bewegungen folgen der Musik und scheinen eine direkte Fortsetzung der Emphase und der Emotion, mit der der Komponist seine Konzerte durchzogen hat. Es geht ihr um Gemeinsamkeiten der Klangkörper und so wirken ihre Dirigate subtil, transparent, feinfühlig. Im Fall des d-Moll-Konzertes stellen sie das Dämonische zugunsten einer von innen leuchtenden, lyrischen Schönheit zurück, das Pendant in B-Dur erscheint fröhlich und unbeschwert, stellenweise tanzhaft und sehr mozartesk. Die im vergangenen Frühjahr mit dem Cleveland Orchestra entstandenen Aufnahmen sind daher nicht nur Neuinterpretationen der vielleicht bekanntesten Klavierkonzerte Mozarts, sondern Näherungen an ein Genie aus dem Geiste einer Seelenverwandten.