Seine Zeit beim Chicago Symphony Orchestra gilt als Ära. Über zwei Jahrzehnte wirkte Sir Georg Solti in der musikbegeisterten Kulturmetropole im US-Bundesstaat Illinois. Der umtriebige Dirigent, einer der impulsivsten Neo-Romantiker des 20. Jahrhunderts, drückte dem Orchester seinen Stempel auf. Solti passte nach Chicago. Die hiesige Offenherzigkeit, das organisch gewachsene Klangbild und die gleichzeitige Experimentierfreude des Traditionsorchesters waren ganz nach seinem Geschmack.
Er war romantisch wie Beethoven und lebte im 20. Jahrhundert, ein Spannungsfeld in dem Solti seine reichhaltigen Gaben voll zur Geltung brachte. Dass er in Chicago ankam und das Orchester ihn verstand, davon zeugt die Fülle seiner mitreißenden Aufnahmen, die Decca vor zwei Monaten in einer noblen Gesamtedition auf den Markt brachte. Jetzt erscheint eine begleitende Vinyl-Ausgabe, der man Soltis romantisch dominierten Grenzgang zwischen Tradition und Moderne schon im Repertoire ansieht. Insgesamt 6 LPs hat Decca aus der 108 CDs umfassenden Mammut-Edition ausgekoppelt.
Klassisch auf 180g Vinyl gepresst, erlebt man den Maestro hier in bahnbrechenden Aufnahmen romantischen und impressionistischen Repertoires. Zeigen ihn die Aufnahmen mit Beethovens Neunter und der jeweils vierten Sinfonie von Brahms, Bruckner und Mahler im romantischen Fieber, so überrascht er in Ravels „Boléro“ mit zügelnden Gesten eines geduldigen Spannungsaufbaus. Träumerisch schwebend klingt Debussys “Prélude à l’après-midi d’un faune”, wohingegen Strauss’ „Also sprach Zarathustra“ wahrhaft vulkanische Dimensionen annimmt. Kurz: Soltis Wirken in Chicago ist mit diesen Vinyl-Auskopplungen vielschichtig abgebildet.