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Goldene Jahre – Claudio Abbado und die Berliner Philharmoniker

Claudio Abbado (2008)
© Peter Fischli
15.08.2018
Noblesse ist das entscheidende Charakteristikum des großen italienischen Dirigenten und passionierten Nachwuchsförderers Claudio Abbado. Das gilt sowohl für seine überaus edle Erscheinung als auch für seine großzügige Klangkultur, die er allerorten entwickelte.

Großzügiger Charakter: Claudio Abbado (1933–2014)

Wo er auch hinkam, er stiftete sofort eine Atmosphäre freundschaftlicher Entspanntheit und sensiblen Zuhörens. Autoritäre Gesten waren ihm fremd. Er brach mit der langen Tradition des allwissenden Herrschers am Pult, der seinem Orchester gebieterisch den Weg weist. Für Claudio Abbado kam es auf Entwicklung an, auf die behutsame Entfaltung einer musikalischen Idee. Den Weg dorthin wollte er nicht alleine bestimmen. Er beteiligte die Orchestermusiker an seinen Entscheidungen.
Für die Berliner Philharmoniker glich dieser sanfte Führungsstil einer Revolution. Als Claudio Abbado im Jahre 1990 zu dem weltberühmten Klangkörper stieß, da lagen Jahrzehnte strengster Probenarbeit und äußerster Disziplin hinter den Berliner Philharmonikern. Herbert von Karajan hatte das Orchester mit harter Hand geführt und dabei eine grandiose Klangkultur etabliert, die in ihrer Geschliffenheit, ihrer legendären Perfektion weltweit Bewunderung hervorrief. War dies noch zu übertreffen?

Atmender Klang: Die Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado

Zu übertreffen vielleicht nicht, aber Claudio Abbado brachte das Kunststück fertig, auf Augenhöhe mit seinem schillernden Vorgänger etwas vollkommen Neues zu schaffen. Er ließ das Orchester atmen, ermunterte die Musiker zu persönlichem Ausdruck und setzte auf junge Begabungen. Abbado brachte eine Brise südlicher Leichtigkeit nach Berlin, und dadurch lockerte sich der straffgezogene Klang, der an seiner allzu heftigen Disziplin zu leiden begann, allmählich auf und füllte sich mit neuem Leben.
Wie bewegend die Resultate sind, wie viel Wärme und Zuversicht der italienische Meisterdirigent den Berliner Philharmonikern schenkte, das lässt sich jetzt an einer prächtigen Ausgabe bewundern, die Abbados reichhaltiges Schaffen in Berlin detailgetreu rekonstruiert. Die limitierte Edition versammelt auf 60 CDs sämtliche Aufnahmen, die Claudio Abbado mit den Berliner Philharmonikern unter der Regie der Deutschen Grammophon getätigt hat. Hinzu kommt ein attraktives Booklet, das die Berliner Jahre des großen Dirigenten unterhaltsam dokumentiert.      

Weitgespanntes Repertoire: Klassik, Romantik, Moderne

Dass Abbados Zeit bei den Berliner Philharmonikern als Ära gelten darf, ist die Quintessenz des sorgfältig recherchierten Essays von Julia Spinola. Visuellen Reiz üben die anspruchsvollen Fotos des feinsinnigen Begleitbuches aus, vermitteln sie doch einen ausgezeichneten Eindruck von Abbados großzügiger Persönlichkeit. Diese Großzügigkeit darf man dann auch in dem weitgespannten Klangspektrum der Ausgabe erleben, allen voran in den vollständigen, als Referenzaufnahmen geltenden Sinfonien-Zyklen von Beethoven und Brahms.
Entschlackte und von jeglichem sentimentalen Pathos befreite Romantik! Schier unendliche Räume öffnen die fünf Klavierkonzerte von Beethoven, die Abbado mit seinem kongenialen Landsmann Maurizio Pollini aufgenommen hat. Zeit zum Träumen, Zeit für Sehnsüchte! Zudem: Moderne Perlen wie Alban Bergs Sieben frühe Lieder” mit einer glänzend aufgelegten Renée Fleming oder György Kurtágs hochemotionale Komposition “Grabstein für Stephan – Stele”. Claudio Abbado bietet beides: Tradition und Moderne, und das auf allerhöchstem Niveau. 
 
 
 
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