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Jiri Belohlavek
Jiri Belohlavek

Atemberaubend – Jiří Bělohlávek interpretiert Dvořáks Stabat Mater

Jiří Bělohlávek
© Decca
03.05.2017

Das geht direkt zu Herzen. Wer diese Musik hört, der spürt sofort, dass sie von einem feinfühligen, nachdenklichen und leidenschaftlichen Menschen stammen muss. Und so ist es ja auch.

Intensive Gefühle: Antonín Dvořák (1841–1904)

Antonín Dvořák war ein Komponist, der stark seinen Intuitionen folgte. Er spürte jede Regung in seinem Umkreis. Ausgestattet mit den feinsten seelischen Antennen, war er in steter Aufnahmebereitschaft. Ihm entging nichts. Dabei betrachtete er die Dinge aufmerksam und liebevoll. Er schätzte die genaue Beobachtung, das Detail, den Unterschied, die Farben der Welt.

Eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften war die Begeisterungsfähigkeit. Dvořák konnte sich an musikalischen Ideen entzünden. Er war zu größtem Enthusiasmus fähig. Sein schier unendlicher Melodienreichtum zeugt hiervon. Er ist Spiegel seiner künstlerischen Sinnenfreude und verschwenderischen Fülle an kompositorischen Einfällen.

Schweres Schicksal: Trost in der Musik

Doch wer zu so gewaltigen Höhenflügen fähig ist, der erlebt umgekehrt auch seine Leiden besonders intensiv. Das gilt zumal dann, wenn sie durch so heftige Schicksalsschläge ausgelöst werden wie bei dem böhmischen Komponisten in den 1870er Jahren. Dvořák verliert im Jahre 1875 zwei Tage nach der Geburt seine Tochter Josefa. Nur zwei Jahre später stirbt seine elfmonatige Tochter Ružena an einer Vergiftung und sein dreijähriger Sohn Otakar an Pocken.

Der Schmerz ist unermesslich, und Dvořák verarbeitet ihn musikalisch. In einem geistlichen Werk kann er Trost und Zuflucht finden. Hier kann er seine Leiden ausdrücken, ihnen Gestalt verleihen und so besser mit ihnen fertig werden. In den Jahren 1876/1877 komponiert er sein später zu Berühmtheit gelangendes Stabat Mater. Das Werk für Soli, Chor und Orchester basiert auf einem mittelalterlichen Gedicht, das die Leiden der Gottesmutter Maria am Tod ihres Sohnes Jesus Christus zum Ausdruck bringt.

Besondere Vertrautheit: Jiří Bělohlávek

Für Dvořák ist dies keine abstrakte Geschichte. Er kann die Leiden der Gottesmutter verstehen und packt seine ganze Energie darein, sie musikalisch auszudrücken. Das Ergebnis: ein umwerfendes geistliches Werk, voller Schmerz und Trauer, aber auch tröstlich, reich an lyrischen Schönheiten und echten menschlichen Gefühlen. Jiří Bělohlávek weiß, worum es hier geht. Der tschechische Meisterdirigent kennt den melancholischen Ton von Antonín Dvořák. Er ist damit aufgewachsen und hat sich schon früh davon inspirieren lassen.

Bereits im Kinderchor sang er das Stabat Mater. Ein prägendes Erlebnis, das ihn durch sein ganzes Leben hindurch begleiten sollte und seiner soeben erschienenen Aufnahme des Werkes eine ganz besondere Authentizität verleiht. So spürt man denn auch eine deutliche Vertrautheit, eine intime Stille in dieser Aufnahme. Diese natürliche Nähe berührt. Sie ermöglicht dem Hörer, ganz einzutauchen in das Werk, immer wieder abzuschweifen und sich selbst zu vergessen.

Beindruckend ist dabei, wie Jiří Bělohlávek die Tschechische Philharmonie, den Prager Philharmonischen Chor und die Solisten Eri Nakamura (Sopran), Elisabeth Kulman (Mezzosopran), Michael Spyres (Tenor) und Jongmin Park (Bass) zu einer Einheit zusammenfügt. Hier drängt sich niemand in den Vordergrund. Alle arbeiten ehrfürchtig an der einen gemeinschaftlichen Interpretation mit. Das ist ganz große Kunst, die dem tiefen Gefühl von Antonín Dvořák auf ergreifende Weise gerecht wird.

 

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