Das Cellokonzert von Edward Elgar ist eines der ganz großen Meisterwerke der Celloliteratur. Uraufgeführt im Jahre 1919, trägt es die melodische Opulenz und melancholische Klangschönheit in sich, die Elgars musikalische Handschrift prägt. Auf seinem neuen, dem zweiten Album für Decca, kann man Sheku Kanneh-Mason mit Elgars Konzert im Zusammenspiel mit dem London Symphony Orchestra unter dem Dirigat von Sir Simon Rattle erleben und wird dabei Zeuge einer äußerst reizvollen und reifen Interpretation.
Sheku Kanneh-Mason offenbart mit diesem Werk seine große spielerische Vorstellungskraft und überzeugt mit sensibler Klanggestaltung und ausdrucksvoller Phrasierung. Indem er das Konzert mit Werken anderer Komponisten aus Elgars Umfeld in Zusammenhang bringt, entsteht ein musikalisches Bild der Zeit rund um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert.
Sheku Kanneh-Masons feines Gespür für ausgefeilte Arrangements und originelle Besetzungen verleihen den Kompositionen zudem eine individuelle Note, die den 20-Jährigen als außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit unserer Tage herausstellen. Sheku Kanneh-Mason interpretiert nicht einfach nur, er lebt die Musik und hat den künstlerischen Entstehungsprozess des Albums, das in den renommierten Londoner Abbey Road Studios aufgenommen wurde, so lebendig und authentisch gestaltet, dass man beim Hören sofort in den Bann gezogen wird, als wäre es ein Livekonzert.
Die kleinformatigen Stücke, die das Cellokonzert flankieren, sind von Sheku Kanneh-Mason handverlesene und überaus stimmungsvolle Ergänzungen, die viele unterschiedliche Emotionen transportieren und darüber hinaus verschiedene Einflüsse widerspiegeln, die Elgars Schaffen geprägt haben. Das traditionelle englische Volkslied “Blow the Wind Southerly” eröffnet das Album und verströmt sofort sehnsuchtsvolle Wärme, das Adagio “Nimrod” aus Elgars berühmten Enigma Variationen wird häufig als Filmmusik verwendet und entfaltet auch unter den Händen des jungen Künstlers und fünf Cellokollegen seine sanfte und dennoch klanggewaltige Ästhetik. In Julius Klengels Hymnus for 12 Cellos, Op. 57 kommen die gesanglichen Qualitäten der Instrumente überwältigend schön zur Geltung.
Im Spannungsfeld der musikalischen Klanglandschaft Europas vor und nach dem 1. Weltkrieg ist Gabriel Fauré's “Élégie” ein romantischer Schatz, der auf dem Album von Sheku Kanneh-Mason und neun weitere Celli seine volle Strahlkraft entfalten kann. Das englische Volkslied “Scarborough Fair” leuchtet wiederum in der intimen Besetzung für Gitarre und Cello in satten Farben und mit Elgars “Romanze” in d-Moll op. 62 kann man in verführerischen Streicherklängen schwelgen, wenn Sheku Kanneh-Mason gemeinsam mit einem Streichquartett seine brillante Virtuosität ausspielt. Auch der “Spring Song” von Frank Bridge kommt in einer Bearbeitung für Cello plus Streichquartett daher und begeistert durch die blitzsaubere Intonation der fünf Interpreten, die in jeder Phrase gemeinsam zu atmen scheinen. Ernst Blochs “Prélude” ist ein weiteres Highlight, denn dieses Stück hat Sheku Kanneh-Mason in seiner eigenen Bearbeitung für Cello und Violine gemeinsam mit seinem Bruder Braimah eingespielt. Das Ergebnis ist äußerst berührend.
Sheku Kanneh-Masons Elgar-Album beweist, dass das TIME Magazine den jungen Cellisten unlängst völlig zurecht als “champion of classical music” bezeichnet hat und macht Lust auf viele weitere musikalische Glücksmomente.