Er habe “kurze schwarze Haare, vermischt mit einzelnen grauen, und darauf ein Käppchen aus Satin” getragen, erinnert sich ein Sohn Kurfürst Ernst Augusts von Hannover an einen Besuch von Agostino Steffani in den späten 90er Jahren des 17. Jahrhunderts, “dazu ein großes schimmerndes Diamantkreuz und am Finger ein großer Saphir.” Offenkundig trägt Steffani die Kleidung eines hohen Geistlichen. Doch wenige Jahre zuvor prägten noch Perücke, Puder und Notenmappe das äußere Erscheinungsbild desselben Mannes. Auf die Spuren dieses mysteriösen Opernkomponisten, katholischen Klerikers und Diplomaten hat sich Cecilia Bartoli für ihr neues Album “Mission” begeben – begleitet von der Krimiautorin Donna Leon, die dem Leben und Wirken von Agostino Steffani, einer der schillerndsten Figuren des Hochbarock, ihren neuen Roman “Himmlische Juwelen” widmete.
Musiker, Diplomat und katholischer Würdenträger
Der einstige Chorknabe aus einer einfachen norditalienischen Familie brachte es weit: Agostino Steffani wurde zu einem der angesehensten Komponisten und gefragtesten Diplomaten seiner Zeit. Er komponierte für die Kurfürsten von Bayern, Braunschweig-Lüneburg und der Pfalz. Seine Oper “Servio Tullio” etwa schrieb er zur Vermählungsfeier des bayrischen Kurfürsten Max Emanuel und der Erzherzogin Maria Antonia von Österreich, und zur feierlichen Eröffnung des Theaters im Leineschloss zu Hannover wurde sein “Henrico Leone” uraufgeführt. Ebenso großes Geschick wie in der Musik zeigte er im Namen seiner Dienstherren bald auch als Diplomat. Für die Heiratsprojekte des bayerischen Kurfürsten etwa wurde er mehrfach als Geheimagent tätig. Und im Auftrag des Kurfürsten Ernst August von Hannover agierte er in delikater Mission als Sondergesandter an den katholischen Fürstenhöfen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm der Papst die Bischofswürde und setzte ihn als apostolischen Vikar an die Spitze der katholischen Bewegung in Norddeutschland.
Zu Unrecht vergessen
Weil Agostino Steffani als Italiener fast ausschließlich in deutschen Fürstentümern wirkte und sein Profil zudem auf dem Feld der Diplomatie “verwässerte”, wurde er von italienischen und deutschen Musikwissenschaftlern weitgehend übersehen. Seine musikalische Ausbildung empfing der ungewöhnlich weit Gereiste in München, Rom und Paris. Die drei führenden Nationalstile der Barockzeit beherrschte er daher in Vollendung. Und er verstand es auf einzigartige Weise, Elemente der französischen und deutschen Musik in die italienische Tonkunst zu integrieren. Großer Ruhm wurde Steffani insbesondere für seine Kammerduette zuteil. Diese lyrischen Gesänge für zwei Stimmen und Generalbassbegleitung mit zumeist erotischem Inhalt formte er zu Miniaturopern von großer Schönheit und Dramatik. Ebenso kunstvoll und prächtig sind auch seine großen musikalischen Bühnendramen: frühe Meisterwerke des Belcanto.
Sensationelle Wiederentdeckung
Cecilia Bartoli zeigt mit ihrem neuen Album “Mission” eindrucksvoll, dass Agostino Steffanis Musik völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Kongenial begleitet vom neuen Roman der Bestsellerautorin Donna Leon gewährt uns die römische Operndiva einen faszinierenden Einblick in das Zeitalter der Intrigen und höfischen Ränkespiele, des Absolutismus nach französischem Vorbild und der Konflikte zwischen päpstlicher und kaiserlicher Macht. Im Zentrum steht natürlich Steffanis großartige Musik: Auf ihrem Album präsentiert Cecilia Bartoli nicht weniger als 21 Weltpremieren inklusive vier Duetten mit dem gefeierten Countertenor Philippe Jaroussky – verlorene Schätze eines frühen Meisters der Barockoper zwischen Monteverdi und Vivaldi.
Cecilia Bartolis “Mission” erscheint als Standard-Version und als Deluxe-Ausgabe mit einem aufwendig gestalteten und reich bebilderten Begleitheft, in dem die faszinierende Lebensgeschichte des Komponisten und seine Zeit beleuchtet werden. Als besonderes Special ist die Deluxe-Ausgabe in einem Leineneinband mit Schuber zusammen mit dem Roman “Himmlische Juwelen” von Donna Leon erhältlich.