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Alfred Brendel
Alfred Brendel

Alfred Brendel wird 80

Alfred Brendel
© Clive Barda/Decca
05.01.2011

Schon zu Beginn seiner Karriere war Alfred Brendel ein Skeptiker. Geboren im nordmährischen  Wiesenberg und kriegsbedingt in Etappen ausgebildet, konnte er erst von 1948 an in Graz kontinuierlich Orchesterleitung und Komposition studieren. Als Siebzehnjähriger gab er sein erstes Konzert, beschäftigte sich aber ebenso mit Malerei, Literatur, den Schönen Künsten und vertiefte sich in philosophische Schriften. Auf dieser soliden humanistischen und kritisch geschulten Basis konnte er sich von den sechziger Jahren an zu einem der versiertesten und zugleich reflektierten Pianisten entwickeln, den die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorbrachte. Alfred Brendel wurde für viele zum Maßstab und er ist bis heute auch sich selbst gegenüber wählerisch geblieben. Als er etwa aus Anlass seines 80.Geburtstags gebeten wurde, aus den vielen Aufnahmen, die im Laufe der Zeit für Decca und Philips entstanden, seine persönlichen Favoriten herauszusuchen, landete er nicht zwangsläufig bei den Bestsellern, sondern auch bei Raritäten seines Repertoires, die ihm aber besonders ans Herz gewachsen sind.

Es entstand „Alfred Brendel: Artist’s Choice. Seine persönliche Auswahl“, eine individuelle und zugleich repräsentative Auswahl der Kunst, die Alfred Brendel selbst für relevant hält. Dazu gehören Mozarts „Klavierkonzert Nr. 17“ mit seinem langjährigen Wegbegleiter Sir Charles Mackerras am Pult, Beethovens „Hammerklavier-Sonate“ oder Schuberts „Wandererfantasie“, aber eben auch besondere Schmankerl wie Carl Maria von Webers „Konzertstück f-Moll“ oder Ferrucio Busonis „Toccata“, die nur vergleichsweise selten auf CD zu erleben sind. Darüber hinaus hielt Alfred Brendel seine Interpretationen von Bachs „Italienischem Konzert“, Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ in der Originalfassung für Piano solo sowie die „Legenden S 175“ von Franz Liszt für würdig, auf „Artist’s Choice“ aufgenommen zu werden und gestaltete auf diese Weise ein Programm, das einen ebenso umfassend interessierten wie versierten Pianisten abseits der ausgetretenen Repertoire-Pfade portraitiert. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1970 bis 2005, werden von einem 42 Seiten starken Begleitheft mit Brendels Notizen zur Werkauswahl sowie einer kompletten Diskografie seiner Aufnahmetätigkeit für Deutsche Grammophon, DECCA und Philips ergänzt. Und nicht zuletzt beinhaltet „Alfred Brendel: Artist’s Choice. Seine persönliche Auswahl“ auch noch zwei Welt-Erstveröffentlichungen auf DVD: Ein halbstündiges Interview, das Thea Dorn für „Literatur im Foyer“ mit Alfred Brendel geführt hat, sowie einen Ausschnitt des Vortrages „Musikalische Charaktere am Beispiel Beethovens“ – eine Filmproduktion von UNITEL – mit etlichen Klavierbeispielen.

Teil zwei der Editionen, die aus Anlass des Geburtstages erscheinen, ist die Doppel-CD „Alfred Brendel – A Birthday Tribute“ mit bislang unveröffentlichten Live-Aufnahmen von Werken von Mozart, Beethoven, Schubert und Brahms, die in den Jahren 1985 bis 2007 in München, Baden-Baden und bei den Salzburger Festspielen mitgeschnitten wurden. Ähnlich wie bei „Artist’s Choice“ handelt es sich um Interpretationen, die der Künstler selbst für besonders gelungen erachtet wie beispielsweise Brahms’ „Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15“ unter Sir Colin Davis oder von Mozarts „Klavierkonzert Nr. 25 C-Dur KV 503“ mit Hans Zender am Dirigentenpult, über das er im Begleitheft der Edition meint: „In der Wiedergabe meines Spiels kommen sie, bei aller gebotenen Skepsis, meiner Vorstellung dieser Werke am nächsten. Die Aufzeichnung des d-Moll-Konzerts von Brahms mit Claudio Abbado litt unter einem zu stark zurückgenommenen Flügel; im Vergleich klingt die Münchner Version lebendiger. Ebenso vermittelt, auch vom Klavierklang her, das Mozart-Konzert KV 503 in der Aufnahme des Südwestfunks eine Frische, die in einem guten Konzert leichter zu erreichen ist als im Studio.“ Ähnliches gilt für Ludwig van Beethovens „Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110“ und Franz Schuberts „Impromptu f-Moll D 935/1“, die bei den Salzburger Festspielen 2007 mitgeschnitten wurden und die dem Künstler in den nun neu zugänglich gemachten Konzertversionen als Höhepunkt der eigenen Spielkunst erscheinen. „Alfred Brendel – A Birthday Tribute“ ist damit ein echtes Geburtstagsgeschenk, nicht nur für die Liebhaber ebenso großartiger wie feinsinnig gespielter Klaviermusik, sondern auch für den Künstler selbst, den Skeptiker, der sich nur selten mit etwas Erreichtem zufrieden gibt.

Schließlich noch eine Fußnote. Alfred Brendel spielt nicht nur auf interpretatorisch höchstem Niveau, sondern hält auch manche seiner Gedanken und Erkenntnisse präzise und pointiert in Worten fest. Seine Kommentare und Analysen zum Schaffen von Beethoven, Schubert, Liszt, Busoni oder übergreifend zu Fragen der musikalischen Darstellung gehören längst zum Standard musikwissenschaftlicher Beschäftigung. Eine Überraschung jedoch nicht nur für die Feuilletons waren seine Gedichte, die er in eigener Lesung aus seinem Lyrik-Band „Spiegelbild und schwarzer Spuk“ als Hörbuch vorstellte. „Sprach-Capriccios in einer perfekt scheinlogischen Lakonik“ meinte dazu der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Kollege der Süddeutschen Zeitung stieß in ein ähnliches Horn, als er die Besprechung mit „Kaustischer Witz. Spukbilder der Albernheit: Die Gedichte des Pianisten Alfred Brendel“ überschrieb. Der Erfolg dieser Lesung war so beachtlich, dass vor rund einem halben Jahr bereits die Fortsetzung „Alfred Brendel liest Vol.2“ erschien und die poetischen Exkurse um weitere humorvoll lyrische Reflexionen ergänzte. Zusammen mit dem bereits erwähnten umfassenden Video-Interview, das nun aus Anlass des 80. Geburtstags des Jubilars auch auf KlassikAkzente.de vollständig vorgestellt wird, kann man Alfred Brendel als einen universalen Künstler erleben, der die Idee von klassischer Musik ebenso wie die von künstlerischer Integrität der vergangenen Jahrzehnte nachhaltig und auf seine Weise genial geprägt hat.

Wer den Lyriker Alfred Brendel kennen lernen möchte, dem seien schließlich die beiden folgenden CDs empfohlen. Brendel liest darauf seine eigenen Werke:

Alfred Brendel liest aus Spiegelbild und schwarzer Spuk

Alfred Brendel liest Alfred Brendel Vol.2

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