Der berühmte Kastrat und Gesangslehrer Giambattista Mancini bezeichnete den deutschen Komponisten Johann Adolf Hasse zu dessen Lebzeiten einmal als „Vater der Musik“ (padre della musica) und fügte hinzu, dass „jeder Meister“ ihn so nannte. Der österreichische Countertenor mit kroatischen Wurzeln, Max Emanuel Cencic, wiederum gilt heute selbst als ein unangefochtener Meister seines Fachs, von dem die Zeitschrift Opernwelt einmal schrieb, dass er „mit der schönsten Countertenor-Stimme unserer Tage gesegnet sei“.
Insofern erweist auf dem neuen Album ROKOKO ein Meister des 21. Jahrhunderts einem – völlig zu Unrecht – heute etwas in Vergessenheit geratenen Meister des 18. Jahrhunderts seine Reverenz. Hasse, zu seiner Zeit als „il caro Sassone“ oder gar „il divino Sassone“ gerühmt, war ein Zeitgenosse von Händel, Mozart, Gluck und Haydn. Die berühmtesten Sängerinnen und Sänger jener Zeit rissen sich um das Vorrecht, Rollen in Opern von Hasse uraufführen oder einfach nur seine Arien singen zu dürfen. So wird beispielsweise kolportiert, dass der große Farinelli zwei Arien aus der Oper Artaserse unzählige Male dem mehr oder weniger umnachteten spanischen König Philip V. vorgesungen haben soll, um ihn von seiner mysteriösen Hypochondria gravis zu heilen.
Erst in jüngerer Vergangenheit wurde begonnen, dem Werk Hasses wieder mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen mit einigen – wenigen – Gesamtaufnahmen seiner Opern und ausgewählten Arien-Recitals. Max Emanuel Cencic versucht mit dem vorliegenden Programm, das Genie Hasses in all seiner musik-dramatischen Vielschichtigkeit zu zeigen mit Arien zwischen verinnerlichtem Lyrismus und atemberaubender Virtuosität. In dem griechischen Dirigenten George Petrou und seinem Ensemble Armonia Atenea hat er dafür eine kongeniale Begleitung gefunden, welche die erstaunliche und für viele Zeitgenossen vorbildhafte innere Dramaturgie der einzelnen Nummern im perfekten Zusammenspiel zwischen Stimme und Instrumentarium zu neuem Leben erweckt.